Häufig, wenn sich zwei Veteranen eines bestimmten Metiers treffen, entsteht viel Nostalgisches, es passiert Geschichtsklitterung und weitschweifiges Wiedererwecken der guten alten Zeit. Ganz anders verhält es sich mit den beiden Musik-Veteranen, von denen hier die Rede sein soll: Zum einen Aren Emirze, ein Frankfurter Hans Dampf in allen Musikgassen, der 22 Jahre und neun Alben lang der Noiserock-Formation Harmful vorstand. Der darüber hinaus mit Emirsian seit mittlerweile fast 15 Jahren ein wunderbar fragiles, oft intensiv von seinen armenischen Wurzeln geprägtes Singer-/Songwriter-Soloprojekt etablierte und zuletzt in Kollaboration mit dem Brotheers Keepers-Mitglied Chima erstmals mit deutschen Texten und einer unerwarteten Soulfulness überraschte. Und zum anderen Flo Weber, seit ebenfalls 22 Jahren Schlagzeuger der Sportfreunde Stiller, daneben Buchautor, Superkicker im Amateur-Bereich und vorübergehend auch Sänger und Gitarrist der Bolzplatz Heroes.
Aren und Flo lernten sich schon vor vielen Jahren kennen; im Rahmen des hochbrachialen Harmful-Albums „Sick and Tired of Being Sick and Tired“, 2013 erschienen, arbeiteten sie sodann auch erstmals musikalisch zusammen. Es sollte das letzte Album von Harmful bleiben, der brillante Titel der Platte wurde damit zum Fanal. Dennoch geriet die Abschiedstour des Trios zu einem wahren Siegeszug komplexer Lärmwände, mit einem Flo Weber am Schlagzeug, der hier erstmals öffentlich seine Qualität als wutschäumender Fell-Prügelknabe ohne jeden Kompromiss unter Beweis stellte. Nach der Tour gingen beide dennoch erst mal wieder ihrer Wege, und Aren hängte die Rockgitarre für längere Zeit ganz an den Nagel.
Irgendwann, so erzählt er nun, „bekam ich aber mal wieder Lust darauf, ordentlich zu scheppern, und schrieb ein paar drückende Rocksongs. Und als ich mich fragte, mit wem ich das wohl gern weiter entwickeln wollte, kam mir sofort Flo in den Sinn. Nun ist er ein vielbeschäftigter Typ, von daher wollte ich ihn nicht nerven.“ Doch das Schicksal wollte es wohl so, dass Aren nur wenige Tage nach diesem Gedanken eine Mail von Flo erhielt, in der stand, auch er habe da einige Songs geschrieben – ob man sich nicht mal treffen wolle? Bereits kurz darauf formulierten die zwei im Proberaum mit „Power and the Holy Ghost“ innerhalb weniger Stunden den ersten Song einer neuen Projektidee (der uns nun als Appetizer auch in das vorliegende Album einführt), entschieden noch am selben Abend, dass sie nichts weiter brauchen als den jeweils anderen, und legten damit den Grundstein für das irrwitzig vielseitige Noiserock-Duo Taskete!.
Dabei unterscheidet sich Taskete! in vielen Punkten von ihrer ersten Kollaboration in der Harmful-Endphase. Zum einen ist Flo hier weit mehr als 'nur' der Nachfolge-Drummer seines Vorgängers, sondern ein kongenialer kreativer Kopf, der am künstlerischen Gelingen der gesamten Unternehmung einen großen Anteil trägt – und dies nicht nur durch das Mitbringen von rund der Hälfte der Songs. Denn zum anderen verleitete Flo durch diesen Input auch Aren dazu, sich auf stilistisches und künstlerisches Neuland zu wagen, das er ohne seinen neuen Partner wohl nie entdeckt und evaluiert hätte.
Denn da sind nicht nur die Pop-Referenzen, die mutigen Spielereien mit Effektbausteinen des Mainstreams, die hier mit Wucht und Chuzpe zurück in den Underground gezogen werden – wie man etwa in der Single-Auskopplung „Inner Revolution“ hören kann. Vor allem zählt „Taskete!“, das Album, zweifellos zu dem intuitivsten Stück Musik des großen Nachdenkers Emirze, der seiner Musik sonst oft gern einen umfangreichen konzeptionellen Überbau angedeihen lässt. Hier hingegen hört man, was das Projekt in seinem Wesenskern vom ersten Probentag an ist: Ein Nukleus spontaner Ideen und unverfälschter Freude am teils durchaus kuriosen Experiment. Eine Demonstration von situativer Intensität und laut krachender Ursprünglichkeit im Wechselspiel mit unerwarteter Zutraulichkeit. Und ein Beweis, wie atemberaubend geil und eigenständig intuitivste Rockmusik sein kann, wenn man all das Denken mal weglässt und sich einfach erlaubt zu machen, was gefällt. Alles im übrigen mehr als brillant eingefangen und in seiner mitreißenden Ursprünglichkeit roh belassen von Deutschlands Rockproduzenten-Ikone Moses Schneider.
„Flo kommt aus einer ganz anderen musikalischen Ecke als ich, am Ende haben wir uns aber mit jedem Song so arrangiert, dass wir beide glücklich mit dem Ergebnis sind“, erzählt Aren über den betont kompakt gehaltenen Entstehungsprozess der Songs. Anders als bei seinem einstigen Harmful-Einsatz wollte Flo, so Aren weiter, „hier mal nicht nur krass abgehen, sondern auch die poppigen Elemente, die er persönlich sehr schätzt, in unsere Musik integrieren. Das war für mich zum Teil ungewöhnlich, mich darauf einzulassen, aber nun gefällt mir am fertigen Ergebnis diese punktuelle Leichtigkeit, die in einem so schönen Kontrast zu den noisigen Momenten steht. Durch diese Gegensätze wird die Platte zu einer unvorhersehbaren Reise.“
Entsprechend wird Lautstärke und Dringlichkeit bei ihnen nicht instrumentalisiert, um zu brüskieren, sondern zu einem Element purer Spielfreude und einer herzlichen Lust am Lärm. Damit erhält ihr Noiserock ein selten optimistisches Detail, ist weniger Konfrontation als vielmehr Abenteuerspielplatz. „Natürlich gibt es auch auf dieser Platte noch sehr tiefe, melancholische und düstere Momente“, so Aren. Aber wer sein Werk etwas näher kennt, das oft auch geprägt ist durch die sehr traurige Musik seiner armenischen Wurzeln, wird davon nicht überrascht sein. Doch generell, sagt er, „überwiegt bei dem Album sehr die Hoffnung, das Positive.“ Es gibt, wie zum Beispiel in der anderen Single „Out of My Head“, poppige Farben und ulkige Vocoder-Stimmen – Aren nennt das alles süffisant eine „bunte Bonbon-Tüte“; es gibt verschmitzt Unernstes neben mutwillig Kreischendem, sowie auf der Metaebene so manche ironische Brechung, die man von derart ernsthaft agierenden Musikern nicht unbedingt erwartet hätte.