VETO! Radio Havanna liefern den Soundtrack zur Party gegen schlechte Menschen. Ihren Widerspruch gegen neue Nazis und ihre alten Ideen machen Radio Havanna auf ihrem siebten Longplayer mehr als deutlich. Seit 2005 sind die Wahl-Berliner fast durchgehend in den hiesigen Clubs und auf Festivals unterwegs und haben sich dabei einen Namen als Revoluzzer-Live-Brett mit Pogo-und-Pfeffi-Garantie erspielt.
Die Punkrock-Band ist bekannt für ihre deutliche antifaschistische Positionierung. Unter anderem sind die Musiker Initiatoren der Koalition Faust Hoch, die für die Idee einer gerechten Gesellschaft wirbt und sich gegen die in ihren Augen rechtsextreme Partei AfD einsetzt. Und natürlich sind auf VETO deshalb unmissverständliche Statement-Songs: Das Lied Antifaschisten erzählt auf emotionale Weise von einem guten Freund, der in die rechtsextreme Szene wechselte. Hass ohne Verstand berichtet von eigenen Erfahrungen, die Bandmitglieder ihrer Jugend mit rechter Gewalt machen mussten.
Überhaupt beschäftigen sich die vier Bandmitglieder, allesamt in der Kleinstadt Suhl groß geworden und in Sachen Alter nun in ihren Dreißigern, nun auch eindringlich mit den Fragen von Herkunft, Identität und ihren damit einhergehenden Erfahrungen. Sänger Fichte erzählt: “Wir sind in Thüringen behütet aufgewachsen. Aber in unserer Zeit als Jugendliche haben wir auch gelernt, was es bedeutet Angst zu haben: Vor Nazis, denen dein Aussehen nicht gefällt, durch die Innenstadt gejagt zu werden. Im Bus mit einer Waffe bedroht zu werden und keiner macht was, sagt was oder ruft die Polizei. Mit unserer Musik treten wir deshalb für eine Gesellschaft an, in der niemand Angst haben muss.”
Doch Radio Havanna sind mehr als reine Politpunker. Fichte, Arni, Olli und Anfy schaffen es auf VETO besser denn je zuvor thematisch weitere Ebenen einzubauen. Nachdem bereits das Vorgängeralbum Utopia, vor allem mit dem gleichnamigen Titelsong, die Tür für Zwischentöne aufgemacht hat, gehen sie hier einige Schritte weiter.
Es wird hier nicht wehgeklagt oder gar kapituliert. Die Berliner wollen Politik und Party, Revolution und Romantik: Lieber mit den guten Leuten die Bar austrinken, als mit den Schlechtmenschen die Welt vor den Baum fahren. Dafür stehen vor allem Songs wie Coole Kids oder Herzschmerzsäufer.
„Uns ist klargeworden, dass wir bisher persönliche Seiten in unserer Musik zu oft außen vor gelassen haben. Wir haben im Vorfeld der Platte sehr viel gesprochen, zurückgeschaut und festgestellt, welche Erfahrungen uns an den Punkt gebracht haben, an dem wir heute stehen“, erzählt Gitarrist Arni.
Beim Hören wird klar: dieses Album hat Kraft und Energie gekostet. Entstanden ist VETO in bemerkenswerter DIY-Manier im Proberaum, erst für den Mix holten sie sich Simon Jäger dazu, der bereits Alben von Kollegen wie Heisskalt oder Feine Sahne Fischfilet den richtigen Klang verpasst hat. Veröffentlicht wird das Album über das Band-eigene Label Dynamit Records.
Und doch, trotz aller Um-, Wider- und Aufstände sind sie Immer noch da, wie es in der gleichnamigen ersten Single heißt: „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergeht‘s“. Das gilt für die Band, das gilt persönlich auch für ihre vier Mitglieder und das lässt sich auch auf die gesellschaftlichen und politischen Umstände 2019 projizieren. Scheitern gehört dazu, aber aufgeben ist nicht: „Wir wollen uns mit VETO auf das Positive im Problemkosmos konzentrieren. Klar gibt es viele Probleme. Aber wir wollen Bock erzeugen und gemeinsam mit den guten Leuten da draußen etwas bewegen, denn wir wissen, dass es die gibt“
Für 2020 steht deshalb wieder eine Club- und Festivaltour an: Radio Havanna werden den Tourbus besteigen, unzählige Kilometern runterreißen und mit tausenden Freunden in energiegeladenen Liveshows feiern, bei denen die Grenze zwischen Publikum und Bühne verschwimmt. So leben Band und Fans gemeinsam ihr eigentliches Lebensmotto, das der Opener-Song des Albums treffend formuliert: „Es gibt nichts, das besser ist als Krach!“.