Frank Turner, weitgereister Troubadour, bodenständiger Folk-Punk-Held und der mit Abstand sympathischste Knabe jenseits des Ärmelkanals. 2012 war das Jahr des Frank Turner. Zunächst spielte der 31-Jährige sein bisher größtes Solokonzert vor 12.000 Fans in der Londoner Wembley Arena, drei Monate später folgte er der Bitte von Regisseur Danny Boyle und eröffnete gemeinsam mit Paul McCartney, Snow Patrol und Duran Duran die Olympischen Sommerspiele in London.
Traumhafte Etappenziele für einen Typen, der seine Karriere einst als Sänger der Hardcore-Band Million Dead begann und nun, nach mehr als 300.000 verkauften Alben, Auftritten von Jimmy Kimmel zu Conan O’Brien und mehr als 1.300 Konzerten in den Pubs, Clubs und Arenen der Welt, zu einem der erfolgreichsten Singer/Songwriter der Neuzeit wurde.
Der Weg dahin war steinig, hart und voller unerwarteter Wendungen. Nicht zuletzt deshalb widmet ihm Frank Turner auch sein neues Album Tape Deck Heart. Das Album ist nicht nur eine Hommage an die 90-Minuten-Kassette, die Turners Jugend prägte und deren rumpelnder Sound ihn musikalisch sozialisierte, sondern verdeutlicht eindrucksvoll die Bodenständigkeit und unkaputtbare Nähe zur Basis, die Frank Turner trotz seines massiven und nicht zuletzt für ihn selbst noch immer erstanlichen Erfolges immer zu wahren vermochte.
Geboren im bahrainischen Muharraq als Sohn eines Investmentbankers und einer Schuldirektorin fand Turner früh zu Punk und Hardcore, zu Bands wie Black Flag, Rancid, NOFX oder den Levellers. Nach dem Ende seiner Band Million Dead schnappte sich Turner seine Akustikgitarre, seinen Rücksack und zog aus, um vom linksradikalen Anarchisten zum gewieften Pragmatiker zu werden, zum eloquenten Sprachrohr einer Generation, die genau weiß, dass sie die Welt nur dann verändern kann, wenn sie weiß, wie sie funktioniert.
Eine Generation, die ein unstillbares Verlangen nach Austausch und Abenteuer hat, die lernen, verstehen und verbessern will, egal, wieviel Einsatz es auch kosten möge. Turner spielt überall, wo man ihm im Tausch gegen ein Konzert ein Bett und eine warme Mahlzeit anbietet, in besetzten Häusern, Jugendzentren oder als Opener für Bands wie The Gaslight Anthem, Biffy Clyro oder Jonah Matranga.
Wohin er auch kommt, findet er Freunde und Gleichgesinnte; Leute, die seine vom Leben gezeichneten Hymnen wie "Reasons Not To Be An Idiot" oder "Long Live The Queen" abfeiern als den Soundtrack zu ihrer eigenen Existenz, zu einem Leben aus abseits von Zwängen und der Norm, in der Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung mehr zählen als Statussymbole oder die Anzahl virtueller Freunde.
Es sind diese Monate, die Frank Turner genauso prägen wie seine zukünftige Anhängerschaft, vereint in dem Willen, es aus alleinigem Antrieb zu schaffen, ohne die Unterstützung von außen, von Eltern, einer Plattenfirma oder sonstigen Gönnern. DIY or die – ein Motto, das selten konsequenter gelebt wurde als von Frank Turner zwischen den Jahren 2005 und 2007.
Nach seinem treffend betitelten Debütalbum "Sleep Is For The Weak" (2007) veröffentlicht Frank Turner im Jahr darauf "Love, Ire & Song", ein ungestümes, leidenschaftliches Werk; den Beweis, dass die schärfste Waffe eines Künstlers noch immer seine Worte sind, dass eine Akustikgitarre auch Jahrzehnte nach Bob Dylan, Bruce Springsteen oder Billy Bragg ein System vielleicht nicht zum Einsturz bringen kann, aber wenigstens heftig an seinen Pfeilern sägt.
Turner stellt mit diesem Album sein Talent unter Beweis, tiefgreifende Themen wie Einsamkeit, Isolation oder Tod auf seine ganz eigene, unnachahmlich humorvolle Weise zu präsentieren, eingebettet in ein Vokabular, das lieber Identifikation stiftet und zum Nachdenken und Mitmachen anregt, als elitär auszugrenzen. Nachzuhören in Titeln wie "Thatcher Fucked The Kids" oder "I Knew Pufrock Before He Got Famous".
Hymnen, die Heerscharen neuer Fans in seine weit geöffneten Arme spült. Der lustige Messias spielt unterdessen weiter hunderte Konzerte in immer größeren Sälen, doch Frank Turner bleibt derselbe. Mit beneidenswerter Ruhe und Höflichkeit manövriert sich der musikalische Alleinunterhalter sicher über die Kontinente, sorgt beim texanischen SXSW-Festival genauso für klappende Kinnladen wie als Opener für The Offspring oder als Teil der Revival Tour, die ihn gemeinsam mit Chuck Ragan, Jim Ward, Joey Cape und Dave Hause nicht nur einmal quer durch die USA, sondern auch zurück zu seinen Wurzeln führt – eingebettet in ein Ensemble aus Punk-sozialisierten Solokünstlern, die neben einer gemeinsamen Philosophie auch eine Vorliebe für Folk-Musik teilen.
2009 erscheint Turner drittes Album "Poetry Of the Deed", eine inhaltliche Verbeugung vor seinem Leben als rastloser Reisender, gefolgt vom 2011 veröffentlichten England, "Keep My Bones". In den zwölf Songs des Albums spiegelt sich Turner gegen seine englische Herkunft, wirft den Anker aus in die eigene Vergangenheit, als mahnende Erinnerung an seine Wurzeln, die er im Zuge des wachsenden Erfolgs und den nicht enden wollenden Touraktivitäten manchmal zu verlieren glaubt.
Zur Verstärkung schart er mit den Sleeping Souls nicht nur eine ganze Band, sondern auch ein paar langjährige Freunde um sich, darunter Ben Lloyd und Nigel Powell, die bereits sein Debütalbum produziert hatten. Und nun also "Tape Deck Heart", Turner fünftes Studioalbum, das unter der Regie von Produzent Rich Costey (Muse/Interpol/Franz Ferdinand/Weezer) in den Eldorado Recording Studios von Burbank/Kalifornien entstand.
Turner thematisiert in seinem Werk nicht nur die Folgen verwelkter Liebe und die damit einhergehenden Emotionen, sondern verfolgte auch seinen Wunsch, das Album nicht länger werden zu lassen als 45 Minuten: "Wir hatten rund 25 Songideen, als wir uns ins Studio begaben", erinnert sich der Sänger, "und nicht alle davon waren wirklich gut. Also dampften wir das Material auf die besten zwölf Songs zusammen. So passt es auch ganz wunderbar auf eine Seite einer C90-Kassette.“
Vom Opener "Recovery" über Uptempo-Songs wie "Losing Days" und selbstreflexive Stücke wie "The Way I Tend To Be" bis zum "Broken Piano" bietet "Tape Deck Heart" all das, was Frank Turner zu einem der erfolgreichsten Singer/Songwriter der Neuzeit gemacht hat: Mut, Einsatz, Ehrlichkeit und die immer währende Hoffnung, es dieses Mal besser zu machen als beim Mal zuvor.
Wie beruhigend, dass es Frank Turner auch diesmal gelungen ist.